Intensivwoche auf der Schweibenalp

Biografie-Arbeit auf der Schweibenalp

by Rachel Galbiati

Zum festen Bestandteil der Maltherapie-Ausbildung gehört jeweils einmal im Jahr eine Intensivwoche. Dieses Jahr waren wir im Mai fünf Tage auf der Schweibenalp in Brienz. Das zweite Ausbildungsjahr steht unter dem Thema „Biografie“ und die Intensivwoche ermöglichte einen intensiven Einstieg in die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, welche im Verlauf des Jahres in der Jahresarbeit schriftlich und gestalterisch weiter vertieft wird.

Die Schweibenalp ist ein Kraftort und bot dadurch neben einer tollen Infrastruktur, einer herrliche Lage und wunderbarem Essen auch die passende Bewusstheit und Energie, um uns mit unserer ganz persönlichen Geschichte auseinanderzusetzen. Wirklich wunderbar! Die Tage waren sehr intensiv, gehaltvoll und voller Einsichten und Prozesse. Nach einem sanften Einstieg zeigte sich dann dafür ein Thema ganz besonders deutlich. Ich war etwas überrascht darüber, doch die Heftigkeit verdeutlichte mir die Wichtigkeit und so hatte ich bereits viel Material und Inspiration für die Woche bzw. eine gute Ausgangslage für meine Jahresarbeit.

Bereits das Wochenend-Seminar „Malen mit Kindern“ im April schenkte mir so einige Aha-Erlebnisse, als wir uns mit den unterschiedlichen Bindungstypen auseinandersetzten. Das Bindungsverhalten entwickelt sich im frühkindlichen Alter und man unterscheidet zwischen drei klassichen Bindungstypen:

– unsicher-vermeidend gebunden
– sicher gebunden
– unsicher-ambivalent gebunden

Zu Beginn hatte ich Mühe, mich in einem bestimmten Typ wiederzuerkennen. Doch die Sätze und Eigenschaften, welche wir in Gruppen zu den jeweiligen Bindungsmustern ausgearbeitet haben, sorgten schliesslich für Klarheit:

unsicher-vermeidend gebunden
– berühre mich nicht
– Jetzt brauche ich Dich auch nicht mehr
– Gefühlsmässig erstarrt, blockiert sein
– Verstummen, nichts mehr sagen
– Lass mich allein/in Ruhe

sicher gebunden
– Auf Dich kann ich mich verlassen
– Ich kann alleine gehen
– Schön, Dich wieder zu sehen, ich habe Dich vermisst
– Ich weiss, dass Du wieder kommst
– Ich darf mich zeigen, wie ich bin. Mit jeder Laune

unsicher-ambivalent gebunden
– Ich muss so sein, wie die anderen möchten
– orientierungslos, irritiert, verwirrt
– Ich bin nicht auszuhalten
– Ich werde nicht ernst genommen
– Ich kann mich nicht auf andere verlassen

Es ist wichtig zu erwähnen, dass alle Ausprägungen dieser drei Bindungstypen zum gesunden und normalen Verhalten gehören. Ausserdem lässt sich vom Bindungsverhalten aus Kindheitstagen nicht automatisch auf das Bindungsverhalten im Erwachsenenalter schliessen. Denn wichtige emotionale Erfahrungen auch im späteren Alter können das einmal entstandene Bindungsmodell wieder verändern. Trotzdem bin ich der Meinung, dass das Wissen darüber einem wichtige Aufschlüsse über eigene Verhaltensweisen und Muster (besonders in Beziehungen mit anderen Menschen) liefern kann. Ich fand es zumindest sehr aufschlussreich und mir wurde klar, warum sich einige meiner Glaubenssätze, Fähigkeiten und auch Schwächen aufgrund dieser frühkindlichen Wahrheit entwickelt haben. Und für mich fühlt sich jeder Schritt an Bewusstwerdung wie ein Stückchen mehr Freiheit an. Ich denke, dass Einsichten einem immer den Weg ebnen, auch auf der Gefühls- und Seelenebene neue Wahrheiten einsinken zu lassen, bis sie schliesslich in Fleisch und Blut über gehen und zu einer Lebenshaltung werden. So fühle ich mich stetig freier, stärker, bewusster.

Ich bin absolut überzeugt, dass es sich lohnt, sich mit seinem Leben, seiner Kindheit, seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Und ich denke, dass diese Auseinandersetzung nicht bei der eigenen Biografie Halt machen sollte. Ebenso wichtig sind die Geschichten der Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern etc. Was für Wahrheiten wurden gelebt? Welche Schicksale mussten getragen werden? Gab es Muster und Glaubenssätze, die sich wiederholt haben? Welche Stärken gab es? Welche Verluste?

Seid mutig und schaut mal etwas genauer hin…

 

„Until you make the unconcious conscious,
it will direct your life and you will call it fate.“
– C.G. Jung

 

(einige Auszüge und Zitate sind aus dem Ausbildungs-Skript von Laure Perrenoud sowie aus den Unterrichtsprotokollen von Schulkolleginnen)

 

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