Was ist schöne Kunst? Wann ist Kunst schön? Die Antwort auf diese Frage ist wohl so vielfältig wie es Menschen auf dieser Welt gibt und kann, meiner Meinung nach, nicht allgemein gültig beantwortet werden. Kunst ist, wie es so schön heisst, relativ. Gemäss Duden also „nicht unabhängig, sondern in Beziehung, Relation zu etwas stehend und dadurch bestimmt“. Kunst liegt im Auge des Betrachters. Denn Geschmack ist etwas sehr persönliches und subjektives. Ob ein Bild zu mir spricht, ja, es mich anspricht oder nicht, ob es mit mir und meiner Geschichte in Beziehung tritt, ist etwas ganz individuelles.
Was ich früher schön fand
Wie ich die Kunst und die Welt betrachte, hat sich in den vergangenen zwölf Jahren meines kreativen Schaffens sehr verändert. Am Anfang fühlte ich mich sehr unsicher. Es musste alles sehr genau und perfekt sein. Klare Linien, klare Konturen. Ich wollte zeigen, wie gut ich malen kann, wie „schön“ ich malen kann. Und schön hiess für mich damals: so genau und naturalistisch wie möglich. Und das konnte ich umsetzen! Das hatte ich schon immer gekonnt. Und dafür war ich seit jeher bewundert und gelobt worden. Und das war es, was für mein Brave-Tochter-Ich so unerlässlich und wichtig war: Bestätigung und Anerkennung von aussen. Bestätigung, dass ich gut war, dass ich es gut machte, dass ich jemand war, dass ich genügte, dass ich es wert war.
Wie sich mein „schön“ verändert hat
Meine Art zu Malen hat sich über die Jahre, mit der kreativen Erfahrung und persönlichen Entwicklung von selbst gelockert. Ich begann mit wachsendem Vertrauen in meine Fertigkeiten mit gröberen Pinseln zu malen, setzte Gesichter und Tiere mit lockereren Strichen um. Und ich kann mich erinnern, dass mich dieser Schritt damals schon Mut gekostet hat. Ich mochte es zwar und es befreite mich sehr, doch die Unsicherheit, wie es wohl ankommen würde, blieb.
Die wirkliche Befreiung kam erst mit der dreijährigen Maltherapie-Ausbildung. Denn dort ging es nie um Können. Es ging ums Malen. Um den Prozess. Ums Tun. Ums Fühlen, Sein und Ausdrücken. Natürlich hat sich die „Ich-will-allen-zeigen-wie-gut-ich-es-kann“ Stimme auch da ab und zu eingemischt, besonders am Anfang. Doch ich lernte, darüber hinauszuwachsen. Und ich lernte die Freiheit des Tuns zu lieben und die Erfüllung, die der Akt des Schöpfens mit sich bringt.
In der Freiheit liegt die Schönheit
Mein Können setze ich nach wie vor gerne für Aufträge ein (z.B. Portraits oder Hochzeitsgeschenke). Doch für mich selbst, meinen persönlichen Ausdruck, suche ich etwas anderes (siehe Blogpost). Und dieses Etwas erahne ich in der Freiheit. Und Freiheit bedeutet für mich, zu tun, was immer mich interessiert und mir Freude bereitet. Denn ich durfte erkennen: mit zu viel Denken kann ich selten ein entscheidendes Problem lösen. Mein Herz und meine Seele brauchen ihre Zeit und ihren Raum. Frei werde ich durch das schöpferische Tun, durch gelebte Kreativität. Und DAS macht für mich die Schönheit der Kunst aus. Das Machen und Erschaffen. Der Prozess. Das mich Einlassen.
Das ist Freiheit. Das ist für mich schöne Kunst. Und diese Erfahrung lässt nicht nur mich selbst andere Kunst machen sondern auch Werke von anderen Künstlern mit anderen Augen sehen.
Wenn ihr also das nächste Mal über Kunst stösst, die euch auf den ersten Blick nicht sonderlich anspricht, fragt euch doch: wie war es wohl, dieses Werk zu machen? Wie könnte sich der Künstler gefühlt haben? Wie hat er sich bewegt, wie hat er das Bild erschaffen? Mit welchen Materialien? Was könnte für ein Entstehungsprozess dahinter stecken? Wie hat er sich dabei gefühlt? Hätte mir das selbst vielleicht auch Freude, Frieden und Freiheit bereitet?